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Enteignungen dürfen nicht zur Verwaltungsroutine werden

Mit der geplanten Änderung des Strassengesetzes soll neu die Regierung – unter gewissen Voraussetzungen – über Enteignungen im Zusammenhang mit Landstrassenprojekten entscheiden können. Bislang lag dieser Entscheid beim Landtag, bei 25 demokratisch gewählten Volksvertretern. Dass Enteignungen politisch heikel sind, ist unbestritten – gerade, weil Boden in Liechtenstein einen besonders hohen ideellen und emotionalen Stellenwert hat, der für viele jeden Geldwert übersteigt. Genau deshalb stellt sich die zentrale Frage: Wenn nicht der Landtag darüber entscheidet, was im öffentlichen Interesse liegt – wer dann?

Es wird dabei argumentiert, dass der politische Preis für Enteignungen zu hoch sei und Realisierungen dadurch blockiert würden. Das mag so sein – doch das ist Ausdruck demokratischer Verantwortung, nicht eines Systemfehlers. Mit der nun vorgeschlagenen Regelung würden Enteignungen faktisch entpolitisiert – entweder durch automatische Kompetenzdelegation bei genehmigten Finanzbeschlüssen oder durch eine neu geschaffene Kommission bei gebundenen Ausgaben. Doch gerade diese Kommission – eingesetzt durch den Landtag, aber beratend für die Regierung – ist kein Ersatz für die parlamentarische Entscheidung über das öffentliche Interesse. Darüber hinaus erscheint es fraglich, dass die neuen Regelungen sinngemäss auch für öffentliche Plätze gelten sollen – dies würde den Anwendungsbereich des Gesetzes erheblich erweitern.

Die Änderungen mögen auf den ersten Blick als pragmatische Lösung erscheinen – ich halte sie jedoch für problematisch. Sie verschieben die Verantwortung für weitreichende Eingriffe ins Eigentum vom Landtag hin zur Exekutive. Gerade bei solch sensiblen Fragen wie Enteignungen braucht es jedoch eine besonders breite politische Legitimation. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung greift in einen Bereich ein, der weit über den Strassenbau hinausreicht.

Wenn überhaupt, wäre eine grundlegende Reform des Expropriationsgesetzes der richtige Rahmen für solche Weichenstellungen – nicht eine Teilrevision im Mantel eines Strassengesetzes. Bereits 2020 hat der Landtag im Zuge des Mobilitätskonzepts 2030 die Regierung beauftragt, hierzu einen Bericht und Antrag vorzulegen. Dieses wichtige Thema verdient eine umfassende und eigenständige Diskussion.

Der Landtag sollte bei Enteignungsentscheiden weiterhin das letzte Wort haben.

 

Lino Nägele
Landtagsabgeordneter der FBP

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